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Das Dorf – eine Würdigung

Das Dorf Buus BL im Jahre 1943. Das Haufendorf liegt eingebettet in seiner noch intakten Kulturlandschaft, aus der es sich nach allen Richtungen nährt © Archäologie und Museum Baselland, Theodor Strübin

6. September 2022
Christoph Reding | Baukultur persönlich

Das Dorf – eine Würdigung

Von Aadorf bis Zwischenbergen - obwohl sich tausende von Dörfern über die Schweizer Landschaften verteilen, ist wohl keines davon in seiner räumlichen und zeitlichen Gesamtheit vollständig wissenschaftlich untersucht. Höchste Zeit sich grundsätzliche Gedanken zur Bedeutung und Erforschung dieser Gemeinwesen zu machen.

Die Erforschung eines Dorfes ist durchaus interdisziplinär: Raumentwicklung, Architektur, Kunst- und Wirtschaftsgeschichte, Volkskunde, Soziologie und nicht zuletzt natürlich die Archäologie und die Geschichtsforschung sind darin thematisch beheimatet. Und die Dörfer sind als Siedlungsformen absolute Erfolgsmodelle: So überzeugen sie bei über 1000-jähriger Vergangenheit mit grosser Standorttradition und Beständigkeit und bilden bis heute vitale Kernzellen unserer Gemeinschaft. Diese Erfolgsbilanz macht es nun für die heutige Raumentwicklung zur Herausforderung, die Dörfer und das darin geborgene baukulturelle Erbe in derselben Qualität zu bewahren und bei Bedarf weiter zu entwickeln.

Das Dorf – eine Würdigung

Hohe Baukultur, Beständigkeit, Identität und Geborgenheit in Einem: Steinhäuser in Oltingen BL mit dem imposanten «Gross Huus» aus Tuffsteinmauerwerk, der bislang älteste bekannte ländliche spätgotische Steinbau der Nordwestschweiz aus dem Jahre 1513/14 © Archäologie Baselland, Christoph Reding

Aufgrund der aktuell nach innen von statten gehenden Siedlungsentwicklung ist der Umgang mit der aufgehenden bauhistorischen Substanz für die zuständigen Fachstellen und Behörden keine einfache Aufgabe. Dies auch deswegen, weil bei der seit den 1970er Jahren erfolgten Inventarisierung der Gebäude in der Regel nur deren Aussenansicht berücksichtigt wurde – nicht aber das ebenso wichtige Hausinnere. Immer wieder werden daher Bauvorhaben bewilligt, bei denen erst während des Baustarts wertvolle bauhistorische Substanz entdeckt wird und es in der Folge zu unangenehmen Verzögerungen und Änderungen im Bauplan kommen kann.

Das Dorf – eine Würdigung

Das Dorf Tenniken BL von Georg Friedrich Meyer in einer Federzeichnung von 1678. Ausser Kirche und Pfarrhaus besteht das gesamte Dorf noch aus altertümlichen strohgedeckten Holzbauten, deren Reste sich oftmals nur im Innern der heutigen Gebäude verborgen erhalten können © Staatarchiv Basel-Landschaft

Das Dorf – eine Würdigung

Schnittzeichnung durch das älteste Haus des Baselbietes an der Burggasse 8 in Muttenz BL, ein Holzständerbau von 1417/18. Erst die Bauuntersuchung im Jahre 2016 brachte in diesem heute unscheinbaren Gebäude den ausserordentlichen baukulturellen Befund zu Tage © Archäologie Baselland, Sarah Schäfer-Hänggi

Im Kanton Basel-Landschaft hat daher die Gemeinde Muttenz in vorbildlicher Weise entschieden, ein entsprechend vollständiges Inventar der Dorfkernzone zu erheben. Es wird als eine Grundlage für die kommende Zonenplanrevision dienen sowie künftig auch Behörden und Bauherrschaften eine verbesserte Planungs- und Investitionssicherheit gewährleisten können. Dieses Inventar ist auch für die Archäologie Baselland von grossem Nutzen, die durch Bauvorhaben betroffene Gebäude nun gezielter ermitteln und frühzeitig bauarchäologisch dokumentieren kann.

Das Dorf – eine Würdigung

Vertieftes bauarchäologisches Inventar von Muttenz BL im Stand 2021: Dorfkern mit Darstellung der Absolutchronologie mit Grobdatierungen der Kernbauten, sprich der jeweils ältesten nachweisbaren Bestände der heute noch stehenden Gebäude © Gemeinde Muttenz/Archäologie Baselland, Anita Springer

Da Gebäude in der Regel erst aufgrund anstehender Bauvorhaben, die sich gewöhnlich disparat über die Dorflandschaften verteilen, wissenschaftlich dokumentiert werden, stehen wir heute vor einem Flickenteppich an bauarchäologischen Befunden. Damit lässt sich das baukulturelle Erbe nur bedingt kohärent auswerten, zielgerichtet der Öffentlichkeit vermitteln, erhalten und schützen. Die Archäologie Baselland hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Gemeinde Muttenz über einen Zeitraum von fünf Jahren zu ihrem bauarchäologischen Schwerpunkt zu machen. Dies aufgrund des bereits erwähnten Inventars, aber auch weil in Muttenz in den vergangenen Jahren für die Nordwestschweiz einzigartige Gebäude des 15. Jahrhunderts nachgewiesen werden konnten.

Das Dorf – eine Würdigung

Arlesheim BL von Emmanuel Büchel um 1750. Eine der vielen detailgetreuen Dorfansichten der Basler Landschaft, die der Basel Konditor, Kartograph und Maler gezeichnet hat © Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett

Die Archäologie Baselland hat im Frühling 2022 in der Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins (Mittelalter 2022/1) Gelegenheit bekommen, in einem kurzen Essay das Dorf aus Sicht der Archäologie zu würdigen. Gleichzeitig konnte in dieser Ausgabe auch das neu erfasste bauhistorische Inventar von Muttenz sowie das älteste Haus des Baselbietes und das älteste Bauernhaus der Nordwestschweiz vorgestellt werden. Auf der Homepage von Archäologie Baselland finden Sie weitere Informationen zu deren Aufgaben und Arbeiten.

Christoph Reding

Christoph Reding (*1971) in Unterseen, ist Leiter der Bauforschung der Archäologie Baselland und stellvertretender Kantonsarchäologe. Christoph Reding studierte Mittelalterarchäologie an der Uni Basel mit Schwerpunkt auf Burgen.

Christoph Reding
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