Wie lässt sich die gebaute Umwelt so erhalten und umgestalten, dass eine hohe Lebensqualität für künftige Generationen sichergestellt und zugleich der Übernutzung und Zerstörung der Umwelt Einhalt geboten wird? © Lab-U | ENAC | EPFL
27. Februar 2024
Paola Viganò, Boris Buzek | Baukultur persönlich
Nationales Forschungsprogramm «Baukultur. Für einen ökologischen und sozialen Wandel der gebauten Umwelt»
Noch bis Ende Monat können Forschende eine Projektskizze für das ausgeschriebene Programm einreichen. Spätestens für die zweite Stufe im Herbst müssen die vorselektierten Projekte auch eine Projektpartnerschaft mit Akteur:innen aus der Praxis vorschlagen. Das Nationale Forschungsprogramm «Baukultur» (NFP 81) will nicht nur verschiedene Disziplinen an den gemeinsamen Tisch holen, sondern auch die Brücken zwischen Forschung und Praxis schlagen.
Das Nationale Forschungsprogramm «Baukultur» (NFP 81) rückt mit der gebauten Umwelt in einer Zeit des sozialen und ökologischen Wandels ein vielseitig erwartetes Thema in den Fokus. Praktiken, Konzepte und Ansätze in den Bereichen Stadt- und Raumplanung, Architektur, Landschafts- und Infrastrukturplanung wandeln sich drastisch und müssen sich weiterentwickeln, um Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem gesellschaftlichen Wandel, neuen Risiken und der zunehmenden Spaltung zwischen Regionen und Bevölkerungen begegnen zu können.
Welche Prozesse sind nötig, um die Planung, Schaffung und Erhaltung einer hochwertigen bebauten Umwelt sicherzustellen? Wie kann ausserdem eine solche Umwelt zum ökologischen und sozialen Wandel, zur Förderung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Gerechtigkeit, sowie zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen? Diese Fragen richtet die Leitungsgruppe des NFP 81 in ihrer Ausschreibung an interessierte Forschende und Praxisverteter:innen.
Die Leitungsgruppe wird präsidiert von Prof. Paola Viganò (EPFL) und vereint mit seiner Besetzung die interdisziplinäre Breite, die im Konzept Baukultur angelegt ist. Von den gestalterischen und technischen Planungsdisziplinen (Prof. Elli Mosayebi, ETHZ; Prof. Eugen Brühwiler, EPFL), über urbanistische, raumplanerische und ökologiebezogene (Prof. Andri Gerber, ZHAW; Prof. Arjan van Timmeren, TU Delft), bis zu politik- und sozialwissenschaftlichen (Prof. Jonathan Metzger, KTH Stockholm), ökonomischen (Prof. Irmi Seidl, WSL) und kulturwissenschaftlichen Fachbereichen (Prof. Pierre Caye, ENS Paris) versammelt die Leitungsgruppe die erforderlichen Expertisen aus beteiligten Disziplinen. Ergänzt wird die akademische Kompetenz durch zwei Expertinnen aus der Praxis des Bauens (Birgitta Schock, SIA, Bauen Digital Schweiz) und der politischen Prozesse (Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin Berlin a.d.).
Wie lässt sich die gebaute Umwelt so erhalten und umgestalten, dass eine hohe Lebensqualität für künftige Generationen sichergestellt und zugleich der Übernutzung und Zerstörung der Umwelt Einhalt geboten wird? Die Leitungsgruppe erkennt einen notwendigen sozialen und ökologischen Wandel, dessen Ermöglichung eine radikale Anpassung im Umgang mit der Landschaft, den Strategien urbaner Entwicklung und dem Bauwesen erfordert. Bauen, Mobilität und Energieinfrastrukturen sind davon genauso betroffen wie der Verbrauch von Umweltressourcen und Landschaft, aber auch eine Anpassung des vorhandenen Gebäudebestands an die Energie- und Ressourcenbegrenzungen, zukünftige Umweltkrisen, neue und sich verändernde Lebensstile und soziale Beziehungen. Zugleich ist die gebaute Umwelt ein Kulturgut von unschätzbarem Wert, das als kollektives Kulturerbe gepflegt und bewahrt werden muss.
Unser Umgang mit der gebauten wie ungebauten Umwelt verlangt zugleich nach einem radikalen Wandel wie nach der Bewahrung dieses kollektiven Kulturgutes © Lab-U | ENAC | EPFL
Das Programm wird unterschiedliche Perspektiven, Disziplinen und Berufe mit einem klaren und sachdienlichen Ziel zusammenbringen: die qualitative Verbesserung der bebauten Umwelt im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Zu diesem Ziel fördert es auch Partnerschaften mit Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis und unterstützt diese Kooperationen mit einer anteilsmässigen finanziellen Förderung.
Zwei Forschungsmodule und ein obligatorisches Tandemmodul zur Umsetzung strukturieren das Programm: Forschungsmodul A «Materielle, technische und ökologische Dimensionen der Baukultur in Verbindung mit sozialen und kulturellen Aspekten» richtet sich an Bereiche wie Umweltwissenschaften, Ingenieurwesen, Stadtplanung und architektonisches Fachwissen sowie Themenbereiche wie Energiewende, nachhaltige Entwicklung und Biodiversität. Umgekehrt adressiert Forschungsmodul B «Soziale und kulturelle Dimensionen der Baukultur im Verhältnis zu materiellen, technischen und ökologischen Aspekten» politische Prozesse genauso wie Planungsprozesse, sozialgeschichtliche Betrachtungen wie kulturgeschichtliche Untersuchungen zum bebauten wie zum unbebauten, dem bewohnten wie dem unbewohnten Raum.
Jedes Forschungsprojekt kann sich entweder individuell auf ein Forschungsmodul konzentrieren (ausschliesslich Modul A oder B) oder zu beiden Modulen beitragen (A+B). Die Teilnahme am Tandem-Modul C ist für alle Projekte obligatorisch © NFP 81
Die Verschränkung verlangt von den Projektvorschlägen bereits bei der Antragstellung, dass sie ihren Forschungsgegenstand in einen interdisziplinären Dialog setzen. In Ergänzung adressiert das «Tandemmodul C zur Umsetzung: Baukultur begreifen» Möglichkeiten der Umsetzung der in den Modulen A und B skizzierten Visionen. Dazu müssen Prozesse etabliert werden, welche die Zusammenarbeit der beteiligten Akteurinnen und Akteure fördern. Das Tandemmodul ermöglicht es den Projektteams, Partnerschaften mit Fachleuten und nicht-akademischen Organisationen oder Einrichtungen einzugehen. Es ist für alle Projekte obligatorisch.
Das NFP 81 ist mit einem Gesamtbudget von 10,6 Millionen CHF für eine Forschungsdauer von 5 Jahren ausgestattet. Projekte werden in einem zweistufigen Verfahren ausgewählt. Interessierte Forschende können noch bis zum 29. Februar 2024 Projektskizzen einreichen. Erfolgreiche Gesuchstellende werden eingeladen, bis zum 2. September 2024 ein Projektgesuch einzureichen. Die Projekte beginnen Anfang 2025.
Was sind Nationale Forschungsprogramme (NFP)?
Die NFP leisten einen wissenschaftlichen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Sie werden vom Bundesrat lanciert und behandeln Themen von nationaler Bedeutung. Das Forschungsvolumen liegt bei 10 bis 20 Millionen Schweizer Franken.
Die Verantwortung für deren Durchführung liegt beim Schweizerischen Nationalfonds. Mit den Nationalen Forschungsprogrammen sollen untereinander koordinierte und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtete Forschungsprojekte ausgelöst und durchgeführt werden. Die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen an Fachpersonen und an die breite Öffentlichkeit hat in den NFP einen hohen Stellenwert.
Paola Viganò, Boris Buzek
Paola Viganò (EPFL, IUAV) präsidiert die Leitungsgruppe des NFP 81. Boris Buzek ist seitens des Schweizerischen Nationalfonds für das Programmmanagement verantwortlich.
Weitere Informationen auf: www.nfp81.ch